Krankenversicherung in der Schweiz

Die obligatorische Versicherung

Der folgende Artikel enthält ein Übersicht über die wichtigsten Leistungen und Kostenblöcke des Schweizer Krankenversicherungssystems.

Organisation

Die soziale KV stellt bei Krankheit oder Unfall die medizinische Behandlung sicher, sofern diese nicht über die Unfallversicherung abgedeckt ist.

Es gibt 94 Versicherer („Krankenkassen“). Diese dürfen nicht nach Gewinn streben. Sollte nun einer dieser Versicherer zahlungsunfähig werden, dann werden die Kosten der gesetzlichen Leistungen von der sog. Gemeinsamen Einrichtung übernommen.

Die Versicherer sind nicht nur für die Rückerstattung von Leistungen da. Zusammen mit den Kantonen unterstützen sie die Gesundheitsförderung (führen gemeinsam die Schweizerische Stiftung für Gesundheitsförderung).

Jede in der Schweiz wohnhafte Person muss sich versichern (jede Person, die sich in der Schweiz aufhält, muss sich innerhalb von 3 Monaten versichern). Wie, das kann dann individuell gestaltet werden. Der Versicherte kann auch frei seinen Krankenversicherer wählen. Jede Krankenkasse ist gesetzlich verpflichtet, jeden Antragsteller, der im Tätigkeitsgebiet der Kasse einen Wohnsitz hat, in die Grundversicherung aufzunehmen. Für die Zusatzversicherung, also für alle Leistungen, die über die obligatorische Grundversicherung hinausgehen, sind die Versicherer hingegen frei in ihrer Wahl, welche Verträge sie mit wem abschließen wollen. Sie können Antragsteller abweisen und sie können die Prämien frei festlegen.

Der Dachverband der Krankenversicherer ist santésuisse (siehe www.santesuisse.ch ) Dort findet der Suchende übrigens neben allen aktuellen Informationen zur Krankenversicherung auch eine umfassende Datenbank mit anschaulichen Grafiken.

Das Gesundheitswesen der Schweiz unterliegt dem Prinzip des Managed care. Der Begriff Managed care bedeutet übersetzt soviel wie „gesteuerte Fürsorge“ und stammt aus dem amerikanischen Gesundheitswesen. Er steht für ein System der Gesundheitsvorsorge, das die Qualität der Versorgung, die Kosten dieser Versorgung und den Zugang zur Versorgung steuern soll. Angebot, Nachfrage und Finanzierung sollen also nicht ganz unabhängig voneinander sein. Warum? Wenn Angebot, Nachfrage und Finanzierung komplett unabhängig voneinander sind, dann sucht sich jeder Patient stets die beste Behandlung, ohne Rücksicht auf Kosten und dann sucht jeder Arzt stets die für ihn lukrativste Behandlungsmethode heraus, auch ohne Rücksicht auf Kosten. Dies ist möglich, da die Kosten die Allgemeinheit trägt. Kann die Kasse nicht mehr leisten, erhöht sie für die Allgemeinheit die Prämien. Dies führt u.a. zu den (bereits bekannten) Kostenexplosionen. Daher wird versucht, eine „gesteuerte Fürsorge“ zu bieten. Dies erfolgt z.B. über die Zahlung eines Selbstbehaltes oder über Health Maintenance Organizationen. Bei diesen erfolgt die Behandlung ausschließlich durch ein Netz von Vertragsärzten. (Es sei hier noch erwähnt, dass Managed Care kein Geheimrezept gegen Kostenexplosionen im Gesundheitswesen ist. Auch dieses Konzept stößt an Grenzen!)

Leistungen

Die soziale KV erbringt Leistungen bei

Laut UVG (Unfallversicherungsgesetz) ist jeder Angestellte für Behandlungskosten bei Unfällen versichert. Hierfür gibt es

a) die Schweizerische Unfallversicherungs-Anstalt (SUVA) als selbständige Unfallversicherung des öffentlichen Rechts (www.suva.ch )

b) Unfallversicherungen (nach UVG) der privaten Versicherungskonzerne

Der Arbeitgeber muss seine Angestellten versichern. Dabei werden die Angestellten manchmal nur gegen Unfälle bei der Arbeit versichert, manchmal auch gegen Unfälle im der Freizeit. Die Beiträge für Betriebsunfälle zahlt der Arbeitgeber, die für Freizeitunfälle der Arbeitnehmer. Wer nicht angestellt ist kann sich bei der Krankenkasse gegen Unfälle versichern.

Alle Krankenversicherer, die die obligatorische KV durchführen, müssen den gleichen gesetzlich vorgeschriebenen Leistungsumfang übernehmen. Sie dürfen keine weitergehenden, freiwilligen Leistungen vergüten. Dabei gilt: die obligatorische KV übernimmt nur Leistungen, die wirksam, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Führt nun ein Behandler Leistungen durch, die keine Pflichtleistungen sind, dann ist er verpflichtet, den Patienten im Vorfeld darüber aufzuklären.

Im Einzelnen werden folgende Leistungen erbracht:

a) ärztliche Leistungen: Es gibt keine spezielle Liste, welche Leistungen nun tatsächlich wirksam, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Wenn bei einer bestimmten Leistung die Kostenvergütung umstritten ist, dann prüft die „Eidg. Kommission für allgemeine Leistungen“, ob hier geleistet werden kann oder nicht. Die Beschlüsse kommen dann durch das „Eidgenössische Department des Inneren“ zustande und werden in einer Liste zusammengefasst.

b) Spitalbehandlungen: Die Berechnungsgrundlage für stationäre Behandlungen bilden vertraglich geregelte Pauschalabgeltungen. Die Pauschalen gelten für den jeweiligen Kanton und sie decken max. 50% der Kosten (in der allgemeinen Abteilung eines öffentlichen bzw. öffentlich subventionierten Krankenhauses). Dabei verlangen die Krankenhäuser von den Einwohnern des Standortkantons niedrigere Taxen als von Auswärtigen (Ausnahmen z.T. bei Notfällen möglich).

c) nicht-ärztliche Leistungen: Dies betrifft die Bereiche: Physiotherapie, Ergotherapie, ambulante Krankenpflege, Ernährungsberatung, Diabetesberatung, Logopädie, Apothekerleistungen, Leistungen durch Chiropraktoren. Hier erfolgt eine Vergütung gemäß der Krankenpflege-Leistungsverordnung.

d) ärztlich verordnete Produkte, Analysen, Arzneimittel: Es gibt 4 Positivlisten: Mittel- und Gegenstände-Liste (z.B. Bandagen, Verbandmaterial), Analysenliste (für in Laboratorien durchgeführte Analysen), Arzneimittelliste, Spezialitätenliste (konfektionierte Medikamente). Die Listen werden ständig angepasst.

e) Maßnahmen der Prävention

f) Leistungen bei Mutterschaft / Geburt: (Art. 13-16 KLV)

g) Zahnärztliche Behandlungen: Die Kosten für Zahnarztbehandlungen übernimmt die obligatorische KV nur in Zusammenhang mit schweren nicht vermeidbaren Erkrankungen, Erkrankungen des Kausystems bedingt durch eine schwere Allgemeinerkrankung oder Unfällen (wenn kein anderer Versicherer die Kosten trägt) Die Kosten für Zahnfüllungen bei Karies oder Zahnspangen zur Korrektur der Zahnstellung werden nicht getragen.

h) Badekuren, Transport- und Rettungskosten: Für eine ärztliche Badekur werden max. 10 Franken pro Tag für max. 21 Tage pro Jahr bezahlt. Voraussetzung: ein zugelassenes Heilbad. Transporte, die erforderlich sind, weil eine Fahrt mit privaten oder öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich ist werden zur Hälfte bezahlt. Es gilt ein jährlicher Maximalbetrag von 500 Franken. Für Rettungen in der Schweiz gilt: Es wird die Hälfte der Rettungskosten übern9ommen, max. 5000 Franken im Jahr.

i) Leistungen im Ausland: Wenn eine Notfallbehandlung im Ausland nötig ist, d.h. eine Rückkehr in die Schweiz aus medizinischen Gründen nicht möglich ist, dann werden die Kosten bis max. zum doppelten Betrag, den diese Behandlung in der Schweiz gekostet hätte, bezahlt. Es werden für keine anderen medizinischen Leistungen im Ausland die Kosten übernommen.

j) Kostenbeteiligung der Versicherten: Die Kostenbeteiligung setzt sich aus folgenden Teilen zusammen: Jeder Erwachsene zahlt jedes Jahr die ersten 300 Franken an Arzt- und KH-Kosten selbst. Das ist die sog. Ordentliche Franchise (wird nicht gezahlt von Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre). Es können auch Versicherungsmodelle mit geringeren Versicherungsprämien und dafür einer höheren Franchise abgeschlossen werden. Es gibt einen Selbstbehalt von 10% des verbleibenden Rechnungsbetrages (jedoch max. 700 Franken im Jahr, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren 350 Franken). Personen, die in einem Single-Haushalt leben, zahlen bei einem KH-Aufenthalt 10 Franken pro Tag selbst (Ausnahme: Mutterschaft). Keine Kostenbeteiligung wird erhoben bei einer normal laufenden Mutterschaft (Komplikationen gelten als Krankheit, daher hier Kostenbeteiligung) und speziell bezeichneten präventiven Maßnahmen.

Versicherungsmodelle mit Prämienreduzierung

a) Wählbare Franchise: Bei diesem Modell ändert sich die Kostenbeteiligung (siehe 2.j ) des Versicherten. Die Deckung der Behandlungskosten bleibt unverändert. Der Versicherte zahlt eine geringere Prämie als die, die er bei der ordentlichen Franchise von 300 Franken bezahlt.

b) Eingeschränkte Wahl der Leistungserbringer: In der Schweiz gibt es ein ärztliches Kollektiv, ein sog. HMO (=Health maintenance organization) ( siehe 1.). Man kann sich nun so versichern, dass man sich ausschließlich von diesem HMO behandeln lässt bzw. immer zuerst einen Hausarzt konsultiert, der dann entscheidet, ob ein Spezialist nötig ist oder nicht. Der Versicherte verzichtet praktisch auf eine freie Arztwahl und zahlt dafür geringere Prämien.

c) Bonusversicherung: Beim Bonussystem gibt es einen Schadenfreiheitsrabatt. Mit jedem Jahr, in dem der Versicherte keine Kosten erstattet bekommt, erhält er eine zunehmende Prämienreduktion. Die Anfangsprämie liegt zuerst einmal 10% über der normalen, der Rabatt kann dann aber innerhalb von 5 Jahren 45% betragen.

In der Schweiz ist der Anteil der nicht durch die Krankenversicherungen bezahlten Ausgaben sehr hoch: gemäss OECD-Zahlen betragen die sog. "Out-of-pocket-Zahlungen" pro Einwohner 1085 $ (kaufkraftbereinigt). Das sind 31,5% der Gesamtausgaben. Eine so hohe Selbstzahlerbelastung gibt es in keinem anderen OECD-Land, nicht einmal in den USA (737 $).

Hohe Franchisen zur Reduktion der Prämien werden wenige genutzt. Nur 6% aller Schweizer nutzen die Maximalfranchise von 2500 Franken. 45 % sind 2005 (wie schon im Vorjahr) bei der obligatorischen Grundfranchise geblieben. Als Grund gaben in einer Befragung sehr viele als Grund an, es fehle an der finanziellen Grundlage, um im Krankheitsfall die Kosten für eine so hohe Franchise aufzubringen. Doch viele könnten eine Franchise von 3200 Franken durchaus aufbringen. Hier scheint eine Vielzahl von Versicherten mit zu hohen Krankenkassen-Prämien versichert.

Finanzierung der Krankenkassen

Jeder Versicherte muss die Krankenkasse selbst bezahlen, die Höhe der Prämien ist dabei vom Lohn unabhängig. (Im Gegensatz zur Unfallversicherung, welche bei Angestellten in Abhängigkeit von der Lohnhöhe entsprechend abgezogen wird.) Sie wird von der jeweiligen Krankenkasse je nach Region festgelegt, wobei das Bundesamt für Gesundheit die Prämienhöhe genehmigen muss. Personen mit einem sehr geringen Lohn erhalten zur Zahlung der Prämien einen Zuschuss.

Die Grafik zeigt die Prämienhöhe der einzelnen Kantone. Extreme sind zu erkennen bei den Kantonen Genf und Appenzell-Innerrhoden. Erkennbar ist auch, ob innerhalb eines einzelnen Kantons die Prämienunterschiede groß sind. Der Punkt zeigt den Durchschnitt an.

Zusätzlich finanzieren sich die Versicherer über das Angebot von Zusatzversicherungen. Hier können Sie auch Antragsteller, die schlechte Risiken darstellen, ablehnen.

Kostenentwicklung / Kostenexplosion

Die Gesundheitskosten steigen auch 2005 um mehr als 4% jährlich an. Sie sind damit die weltweit Zweithöchsten. Die Gesundheitskosten sind in den letzten Jahrzehnten sogar schneller gestiegen, als die allgemeine Teuerungsrate, schneller als das BIP. Die Gründe sind, wie in allen Ländern, vielschichtig. Wachsende Spezialisierung und Technisierung, kostspielige Medikamente, zunehmende Anzahl privat praktizierender Ärzte, strukturelle Entwicklung der Bevölkerung, abnehmende soziale Solidarität (Selbsthilfe, Ehrenamt) und ein verbesserter Zugang zu qualitativ hochwertigen Pflegeleistungen. 2003 hat das Schweizer Gesundheitswesen fast 50 Mrd. Franken gekostet, 2004 dann schon über 50 Mrd. Franken. Das BFS (Bundesamt für Statistik) rechnet für 2005 mit 54 Mrd., 2006 dann mit 56 Mrd. Franken.

Auf die Krankenversicherer entfällt von diesen Kosten nur knapp 1/3. Die anderen Gelder kommen von den privaten Haushalten und dem Staat.

Der größte Teil aller Gelder fließt in die Spitäler, dieser Anteil schrumpft jedoch. Zu nehmen die Kosten für sozialmedizinische Institutionen wie Alters- und Pflegeheime oder Einrichtungen für Behinderte. Der Grund für diese Steigerung liegt wohl u.a. am Altern der Bevölkerung.

Das Altern (insbesondere das Wachstum der Bevölkerung der über 75 Jahre alten Menschen) der Bevölkerung ist, wie in anderen Ländern auch, mit eine der Hauptursachen des Kostenwachstums. Zudem – das Lohnwachstum in der Gesundheitsbranche und die steigende Frauenerwerbsquote (diese Frauen sind nicht mehr zu Hause, um dort Verwandte zu pflegen).

Die Einheitskrankenkasse – ein Weg zu geringeren Krankenkassen-Prämien?

Über eine Volksinitiative (eingereicht Ende Dez. 04) können die Schweizer Bürger über eine Einheits-Krankenkasse abstimmen. Die Initiative nennt sich „Für eine soziale Einheitskrankenkasse“ und fordert eine einzige Krankenkasse für die Grundversicherung. Zudem soll die Kopfprämie abgeschafft werden. Die Prämienberechnung soll sich stattdessen an der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientieren. Ziel sind – tiefere Prämien und mehr Mitsprachemöglichkeiten. Tiefere Prämien sollen möglich sein, weil eine Einheitskasse effizienter und kostengünstiger arbeiten könne, da der Aufwand für Verwaltung und Marketing wesentlich geringer wäre.

Dieser Artikel wurde bereitgestellt von ESS (www.ess-europe.de)


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